In ganz Deutschland ist freies Offroad-Fahren und Endurowandern verboten. In ganz Deutschland? Nein! Ein von freundlichen Menschen bewohntes Land im Nordosten bietet dem Geländefahrer auf zwei und vier Rädern eine Heimat. Offroad in Mecklenburg-Vorpommern
Wir sind seit neun Stunden unterwegs. Die wippenden Scheinwerfer weisen uns den Weg durch die inzwischen einbrechende Dunkelheit. Das Waldstück welches wir durchqueren, schluckt das letzte Licht der Abendsonne zusätzlich weg. Unsere kleine Gruppe aus Enduro-, ATV- und Quadfahrern ist auf dem Weg zur Unterkunft. In Gedanken hängen wir noch den Erlebnissen des Fahrtages nach. Und davon gab es reichlich hier in Mecklenburg-Vorpommern, nahe Boitzenburg.
Es ist kaum zu glauben, aber wir beenden gerade den ersten von zwei Fahrtagen und damit eine Tour von rund 200 Kilometern. Offroad! Ohne dass wir Wege hätten doppelt befahren müssen. Die Infrastruktur begünstigt unser Vorhaben, denn Deutschlands Nordosten war noch nie dicht besiedelt. Die DDR-Führung sorgte dafür, dass es zu deren Zeiten so blieb und erklärte weite Teile – insbesondere in der Nähe zum „Klassenfeind“ – zu Sperrgebieten. So stellen bis heute die unzähligen Wald-, Feld- und Wirtschaftswege oft die einzige Verbindung zwischen den idyllischen, verschlafenen Dörfern mit den roten Backsteinhäusern her.
Und weil das so ist, sind es ganz offizielle Straßen. Für die Teilnehmer an der geführten Reise mit dem treffenden Namen „kreuz und quer durch Mecklenburg“ ein Glücksfall und weil aus anderen Bundesländern stammend einfach nur erstaunlich. Die Unterkunft erreichen wir im Dunkeln. Diese ist auch besonders: Früher eine Polizeiakademie – heute ein Feriendomizil mit ausgezeichneter Gastronomie und Unterbringung in den ehemaligen Gruppenräumen. Aufwendig restauriert und gemütlich hergerichtet, lässt es sich hier gut aushalten und den Tag Revue passieren.
Land und Leute – Landschaft und Fahrfreude
Während zu Hause eine Begegnung zwischen Forstbeamten und Geländefahrern bei letzteren meistens eine Art Fluchtreflex auslöst, nötigt sie ihm hier an der Elbe höchstens ein lässiges Winken ab. Als Erwiderung des freundlichen Grußes aus dem Lada Niva Geländewagen. Ja, so ist das hier. Auch ein älteres Ehepaar bringen wir nicht aus der Ruhe. Das kurze Zusammentreffen mündet in einen Plausch über die herrliche Natur und die Vorzüge geländegängiger Kraftfahrzeuge. Keiner, dem wir begegnen, fragt was wir hier überhaupt verloren hätten, sondern wünscht uns gute Fahrt. Hilfsbereit ist man. Der Inhaber einer Dorfbäckerei plündert die Spritvorräte seines Rasenmähers, während die Frau des Hauses uns mit Gebäck versorgt. Die nächste Tanke wäre halt zu weit gewesen. Vor allem, wenn die Tankuhr spinnt, wie an einem der Fahrzeuge passiert.
Wir sind halt draußen in der weiten Landschaft und meistens allein. Mal in dichten Wäldern abgetaucht oder in Sanddünen driftend. Fahrerisch wechselt der Anspruch mit der Bodenbeschaffenheit. Dort, wo es trocken ist, staubt es bisweilen gewaltig, während feuchte Gebiete auch mal so richtig schwammig werden können. Was die Menschen noch vor etwas mehr als 25 Jahren mit ihren Trabbis hier durchgemacht haben, ist Thema manchen Gesprächs. In den Wäldern finden sich enge Passagen und anspruchsvolle Abschnitte, während die weiten Flächen etwas vom Cruisen haben. Im Tourentempo geht es auf den zweistreifigen Feldstraßen einigen Abenteuern entgegen.
Gemischte Gruppe
Wovon es auch am zweiten Tag einige gibt. Wir fuchsen uns derart ins Gelände, dass sogar einige auf ihren Allrad zurückgreifen. Auch wenn es sich um erlaubte Wege handelt, sie zu einer abwechslungsreichen Tour zu vernetzen, gelingt nur mit einem Führer. Wir folgen daher Jochen Ehlers, dem Chef von ENDUROFUN Tours und Veranstalter. Seine jahrzehntelange Erfahrung lässt uns sicher sein, dass die Strecken legal und im Einklang mit der, der örtlichen Verwaltung und der Natur stattfinden. Auch weiß er, wo und wann welche Abschnitte am besten zu befahren oder eben zu meiden sind. Sei es auch nur wegen der Jagd oder Ernte. Der erfahrene Guide fordert uns auf „Botschafter der Quadszene“ zu sein. Machen wir gerne, denn niemand will, dass dieses Kleinod Verboten und Verordnungen zum Opfer fällt.
Wie erwähnt, besteht unsere Reisegesellschaft aus Zwei- und Vierradfahrern. Wir wollten das einfach mal ausprobieren. Kurzum – das klappt hervorragend, denn der gemeinsame Nenner ist schnell gefunden. Zu schön ist das Gondeln in der Landschaft, Seele baumeln lassen und abends Benzin quatschen. Da wo die Enduros noch durchhuschen, haben die großen ATVs bisweilen Schwierigkeiten. Dafür schlingern die nicht wie ein Rodeogaul auf den Schlammpassagen. Es gleicht sich aus. Wie der Wechsel zwischen Konzentration und Bummeln während der Fahrt. Eine in der Gegend bekannte Inlandwanderdüne ist ein landschaftliches Highlight, die Schlösser und Gutshöfe die wir ansteuern sind die architektonischen und geschichtlichen. Das die Kulinarischen ebenso nicht zu kurz kommen, besorgen unsere Besuche in urigen Brauhäusern und gemütlichen Gaststätten. Alles in allem eine gute Mixtur auf unserer Mix-Tour. Wir kommen wieder – zum Offroad in Mecklenburg-Vorpommern.
- Text: Ralf Wilke
- Fotos: Ralf Wilke, Kerstin Wilke, Jochen Ehlers